Beleuchtungstheorie

Biologische Bedeutung des Lichts


Im Laufe der menschlichen Entwicklung hat sich die Genetik des Menschen den astronomischen Gegebenheiten angepasst und innere Prozesse auf den Tag-Nacht-Rhythmus festgelegt. So ist der Mensch in der Nacht müde und wenig leistungsbereit, der Körper ist auf den der Erholung dienenden Schlaf eingestellt. Am Morgen steigt mit dem Aufwachen die Leistungsfähigkeit stark an und erreicht ihren Höhepunkt zwischen 10 und 12 Uhr. Der frühe Nachmittag ist von einem Leistungstief geprägt, welches am späteren Nachmittag von einem zweiten Leistungshoch abgelöst wird. In den Abendstunden kommt der Körper wieder zur Ruhe und stellt sich erneut auf die Schlafphase ein.

Die „innere Uhr“ des Menschen folgt jedoch nicht exakt der Länge des jeweiligen Tag-Nacht-Rhythmusses, sondern muss laufend mit der Umwelt synchronisiert werden. Gründe hierfür sind u. a. die unterschiedlichen genetischen Voraussetzungen des Menschen (jeder Mensch hat eine andere „innere Uhr“) und die variable Länge von Tag und Nacht im Verlauf der Jahreszeiten. Diese Vorgänge werden durch nicht visuelle Wahrnehmungen von Licht gesteuert und in der Chronobiologie untersucht, hier spricht man auch von der melanopischen Wirkung des Lichts.

Erst 2002 entdeckte man neben den bekannten Fotorezeptoren (Zapfen für das Farbsehen, Stäbchen für das Dämmerungssehen) auch fotosensitive Ganglienzellen in der Netzhaut des Menschen. Diese dienen der nicht visuellen Wahrnehmung, weisen eine hohe Empfindlichkeit gegenüber blauem Licht auf und steuern beispielsweise auch den Pupillenreflex. Im Hypothalamus des Gehirns werden die erfassten Lichtreize zur Regulierung der „inneren Uhr“ genutzt. So hemmt dort die nicht visuelle Wahrnehmung von Licht die Ausschüttung des Hormons Melatonin, welches den Menschen normalerweise müde macht und die Schlafphasen einleitet. Man vermutet, dass die hohe Blausensitivität des Vorgangs eine starke Ausrichtung auf das Tageslicht zum Ausdruck bringt.  Eine zu geringe Exposition durch entsprechendes Licht während des Tages stört die hormonelle Synchronisation der „inneren Uhr“ und kann zu Schlafstörungen, abnehmender Leistungsbereitschaft und Stimmungsschwankungen führen. Dieses Phänomen tritt in mittleren und nordischen Breiten vermehrt im Winter auf und kann depressive Ausmaße annehmen. 

Mit einer an die Bedürfnisse der „inneren Uhr“ angepassten circadianen Beleuchtung kann diesem Problem entgegengewirkt werden. Ziele hierbei sind die Förderung des Wohlbefindens und eine möglichst optimale Simulation der natürlichen Tageslichtverhältnisse. Hierzu wird in den Phasen erhöhter Leistungsbereitschaft Licht mit einem chronobiologisch stark wirksamen Blauanteil verwendet, in den Erholungsphasen am Abend wird die Leistungsbereitschaft über reduzierte Blauanteile und relative Erhöhung der Rotanteile gedrosselt und somit die Einleitung der Schlafphase unterstützt. In der Praxis wird eine solche Beleuchtung üblicherweise durch die Verwendung von Leuchten mit variabler Farbtemperatur realisiert.

Spektrum des Tageslichts · Wellenlänge [ nm ]

Für viele Lebewesen stellt die sensorische Wahrnehmung des Lichts die wesentliche Sinnesleistung dar. Der Mensch bildet da keine Ausnahme, er ist buchstäblich ein „Augentier“. Der Sehapparat des Menschen ist verhältnismäßig hoch entwickelt und gilt als primäres Sinnesorgan. Für fast alle Tätigkeiten benötigt der Mensch ein ausreichendes Maß an Licht. Ist dies nicht gegeben, fällt die primäre Sinneswahrnehmung aus und wir können uns nur noch mühsam orientieren, bewegen und arbeiten. Aus diesem Grund war die wesentliche Arbeitsleistung des Menschen für viele Jahrtausende auf das Tageslicht angewiesen. Erst mit der Erfindung künstlicher Lichtquellen (Kienspan, Fackel, Öllampe) erhöhte sich auch die Leistung des Menschen, da nun auch die dunklen Stunden während Dämmerung und Nacht genutzt werden konnten. Erst hierdurch war der Mensch in der Lage, enorme Fortschritte in Kultur, Wissenschaft und Technik zu erzielen.

Eine der Kernaufgaben der Beleuchtung mit künstlichem Licht besteht darin, optimale Lichtverhältnisse zu schaffen wie auch zu unterstützen. Ausgehend von den Fähigkeiten des menschlichen Sehapparats ist daher eine Sehaufgabe zu definieren und diese anschließend mit den Mitteln der Lichttechnik möglichst optimal zu lösen. Neben der reinen Sehaufgabe sind jedoch Aspekte wie Komfort und Wohlbefinden zu beachten. So muss beispielsweise der Adaptationsfähigkeit des Auges Rechnung getragen werden. Das kann etwa in Form von konstanten Kontrastverhältnissen innerhalb der Beleuchtungssituation erfolgen. Die Beschaffenheit des künstlichen Lichts spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Ist die Sehaufgabe etwa mit der Beurteilung von Farben verknüpft, so muss die spektrale Zusammensetzung des künstlichen Lichts möglichst jener des Sonnenlichts entsprechen. Ferner nimmt die Zusammensetzung des Lichts auch direkten Einfluss auf die biologische Uhr des Menschen und somit auch auf dessen Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden.